Online-Ausstellung: unsichtbar - Alltags·barrieren ankreiden

 

Projektbeschreibung

 

Barrieren sind vielfältig, Barrieren sind individuell, Barrieren sind allgegenwärtig. Barrieren halten Menschen von der Teilhabe am Leben ab. Darauf wollen wir mit unserer künstlerischen Protestaktion Aufmerksam machen. Im Rahmen der Aktionswoche Inklusion beschäftigten wir uns in dem Fotoprojekt „Unsichtbar - Alltagsbarrieren ankreiden“ mit Barrieren, welche dafür sorgen, dass Menschen von einer gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen werden.

Durch pinke Kreidefarbe wurden diese individuellen Alltagsbarrieren temporär markiert. Die an dem Projekt Mitwirkenden Personen hinterlassen durch die Aktion eine für alle gut sichtbare Spur und einen unübersehbaren Hinweis auf die Barriere. Den Betroffenen wird der unmittelbare Eingriff in ihre Umwelt ermöglicht womit Handlungsfähigkeit zurückgewonnen wird. In diesem Moment verändern sie das Stadtbild, was bei Beobachtenden durchaus eine emotionale Reaktion auslöste.

Immer wieder werden Menschen mit Behinderung mit der Aussage konfrontiert, dass man leider nichts an den Verhältnissen ändern könnte, dass das Gebäude unter Denkmalschutz steht oder nicht genügend Geld zur Verfügung steht.

Natürlich ist eine Barrierefreie Umgebung und Gesellschaft ein gesamtgesellschaftliches Problem was nicht von heute auf morgen geändert werden kann. Es gibt Vorschritte und positive Entwicklungen aber dennoch sind unsere Städte und unsere Gesellschaft geprägt von zahlreichen Barrieren, welche Menschen mit Behinderung von öffentlichen Räumen, kulturellen Veranstaltungen, Bildung und vielem mehr ausschließen. Auf diesen Missstand wolle wir aufmerksam machen. Barrierefreiheit sollte keine Option, sondern Selbstverständlichkeit sein.

Denn wie Raul Krauthausen bereits sagte: „Es gibt keine Barrierefreiheit, die Menschen ohne Behinderung je geschadet hat!“

Konzept und Umsetzung: Sophia Poulakis und Ronja Schönert

Mit freundlicher Unterstützung der Aktion Mensch.

Fotoausstellung

Robert

Bordsteine und Gehwege sind in Leipzig oft eine Herausforderung für Menschen im Rollstuhl. Schlecht verlegte Bodenplatten, Schlaglöcher und hohe Bordsteinkanten sind nur ein Paar der Hindernisse. Wenn nun aber auch noch Abgesenkte Bordsteine Regelmäßig zugeparkt werden, aus Unachtsamkeit oder Faulheit sorgt das für unnötige und zusätzliche Wege, verlorene Zeit und Energie.

„Ich bin vor kurzen in meine erste eigene Wohnung gezogen. In meinem neuen Viertel sind schon viele Wege barrierearm aber vor meinem Häuserblock parken andauernd Autos vor der einzigen Stelle, wo der Bordstein abgesenkt ist. Dadurch muss ich jedes Mal einen großen Umweg in Kauf nehmen. Das nervt und ist ärgerlich.

Im Osten gibt es außerdem sehr viele Kulturstätten, Restaurants und Bars die nicht barrierefrei sind. Ich habe das Gefühl, dass so hinnehmen zu müssen. Manche Bereiche streiche ich deswegen komplett von meiner Karte, weil die kann ich ja sowieso nicht nutzen.“

Robert
Stephanie

Stephanie

„Als Frau im Rollstuhl begegne ich täglich vielen Herausforderungen, die meine Mobilität und Unabhängigkeit einschränken. Eine der häufigsten und frustrierendsten Barrieren sind Geschäfte, die nicht barrierefrei sind. Ein besonders prägendes Beispiel ist ein lokaler Laden in Leipzig, der sowohl an der Vorder- als auch an der Hintertür mit einer Stufe versehen ist. Diese scheinbar kleine architektonische Entscheidung hat große Auswirkungen auf Menschen wie mich. Die Stufe am Eingang des Ladens symbolisiert nicht nur eine physische Barriere, sondern auch eine soziale – sie sendet die Botschaft, dass Menschen mit Mobilitätseinschränkungen dort nicht willkommen sind oder zumindest nicht bedacht wurden. Selbst wenn ich es mit Unterstützung ins Innere des Geschäfts schaffe, stoße ich auf weitere Hindernisse. Die Gänge sind oft so eng gestaltet, dass ein Manövrieren mit dem Rollstuhl schwierig oder unmöglich wird. Diese Raumbeschränkungen verhindern, dass ich mich frei umsehen oder Produkte eigenständig erreichen kann. Das schränkt meine Einkaufserfahrung erheblich ein und lässt mich oft hilflos fühlen. Die Zugänglichkeit ist ein entscheidender Faktor dafür, ob Geschäfte von der gesamten Bevölkerung genutzt werden können.Für Menschen im Rollstuhl bedeutet eine solche Barriere oft, dass sie auf die Hilfe anderer angewiesen sind oder sogar ganz auf den Besuch verzichten müssen. Dies  beeinträchtigt nicht nur die individuelle Freiheit, sondern verstärkt auch das Gefühl der Isolation und Exclusion. Es ist wichtig, dass Geschäftsinhaber:innen und Planer:innen die Bedeutung der  Barrierefreiheit erkennen und Maßnahmen ergreifen, um ihre Einrichtungen für alle Menschen zugänglich zu machen. Dies kann durch den Einbau von Rampen, automatischen Türen oder anderen Hilfsmitteln geschehen, die Menschen im Rollstuhl den selbstständigen Zugang ermöglichen. Darüber hinaus sollten auch die Innenräume so gestaltet werden, dass ausreichend Platz für die freie Bewegung aller Besucher:innen vorhanden ist.Durch die Verbesserung der Zugänglichkeit können Geschäfte nicht nur ihre Kundenzahl erhöhen, sondern auch ein Zeichen für Inklusion und Respekt gegenüber der Vielfalt der Gesellschaft setzen. Es ist ander Zeit, dass Barrierefreiheit nicht als optional, sondern als wesentlicher Bestandteil angesehen wird.“

Maik

Ein ganz normaler Tag

„Mein Name ist Maik Tiedtke. Ich bin 47 Jahre alt und lebe seit 1998 in meinen eigenen vier Wänden. Wenn ich meine rollstuhlgerechte Wohnung über die Rampe an meinem Haus verlasse, ärgere ich mich jedes Mal über meine Hofeinfahrt, die sinnbildlich für viele Hofeinfahrten in Leipzig steht. Die Räder meines Rollstuhls verkeilen sich oft in dem schlecht verlegten Natursteinpflaster. Ich bin nicht der einzige Mensch, der in dem Haus auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Das Problem ist bekannt. Ich frage WARUM?: “Ich weiß es nicht.”

Nicht weit entfernt von meinem Haus befindet sich meine ehemalige Sparkassenfiliale, zu der ich anfangs noch Zugang hatte. Im Rahmen der Renovierung des Zugangsbereiches wurde elektrische Schiebetür installiert, jedoch im gleichen Atemzug die eine Treppenstufe mit einer zweiten ergänzt. Ich frage WARUM?: “Das kann ich Ihnen auch nicht sagen.”

Aufgrund dessen muss ich eine Haltestelle mit der Tram stadteinwärts fahren, um dort die nächste barrierearme Sparkassenfiliale aufzusuchen. Auf dem Weg zur nächsten rollstuhlgerechten Haltestelle offenbart sich die nächste Barriere. Ich muss einen Fußgänger:innenüberweg passieren. Das marode Gleisbett kann ich nicht ohne fremde Hilfe überqueren. Es wird nur von Fußgänger:innen benutzt. Ich frage WARUM?: “Die LKWs machen das Gleisbett kaputt.”

Es ist jetzt gerade mal 14 Uhr und es stellten sich mir bereits eine Vielzahl von Hindernissen entgegen. All dies sind Antworten von öffentlichen Stellen bezogen auf die gezeigten Barrieren. Mal sehen, was der Tag noch so bringt.“

MaikT
Marire

Marie

Der Augustusplatz ist eine der zentralsten Haltestellen in Leipzig. Er gibt den Zugang zu Kulturstätten, Einkaufsmöglichkeiten und stellt einen entscheidenden Knotenpunkt zum Umsteigen in zahlreiche öffentliche Verkehrsmittel dar. Die Haltestelle selbst ist allerdings „nicht durchgehend erhöht“, wie die Stimme in der Straßenbahn stets kommentiert. Fährt eine Rollstuhlfahrerin nicht zielgenau in den richtigen Wagon der Straßenbahn, fehlt ihr eventuell im Anschluss die Möglichkeit am Augustusplatz auszusteigen.

„Hallo hier ist Marie Reichert die euch den Augustusplatz vorstellen möchte. Der Augustusplatz ist zum Teil barrierefrei. Der andere Teil ist nicht barrierefrei wie man auf den Fotos erkennen kann. Ich muss ganz genau wissen in welche Tür ich einsteigen muss damit ich an der Haltestelle alleine aus der Bahn aussteigen kann. Das geht nur bei Tür zwei, drei und vier bei der fünften Tür wird es alleine schon schwierig rauszukommen.“

Peter

Die jetzt auch noch ... … wird eine häufige erste Reaktion des, von Demonstrationen und Streiks genervten, Leipzigers sein. Ja es ist nötig, weil vieles was in unserer Stadt gut funktioniert, sie liebenswert und zur Zuzugsmetrople macht nicht entstanden ist weil zu viel Geld da war. Es wurde der Bedarf dafür angemeldet. Das ist der Zweck dieser Aktion. Die Bilder zeigen individuelle Barrieren wie sie die jeweiligen Personen wahrnehmen. Es kann sein, dass wieder andere Betroffene das nicht so schwer nehmen. Sie können dafür andere Lösungen gefunden haben. Oft umgeht man Hindernisse oder streicht die damit verbunden Ziele ganz aus der persönlichen Erreichbarkeit… Das ist schwierig, bei notwendigen Dingen wie Arztbesuche.

Das Foto zeigt z.B. die Grundschule meiner Kinder. Mir war es nie möglich, sie vom Schulgelände abzuholen. Das hat sich in 15 Jahren nicht geändert.

Von nicht betroffenen Menschen werden die Hindernisse spät oder oft auch gar nicht erkannt. Darum haben wir uns erlaubt diese zeitlich begrenzt für diese Aktion mit Kreide hervorzuheben. Wir erwarten nicht, dass morgen Handwerker:innen dafür ausrücken. Wir  hoffen aber, dass bei anstehenden Reparaturen oder Modernisierungsarbeiten auch an uns gedacht wird.

Vielen Dank an alle die sich für uns einsetzen!“

Peter
Benni

Beny

Das „Neue Schauspiel“ ist eine der vielen Kulturstätten im Leipziger Westen. Ähnlich, wie bei so vielen führt allerdings kein Weg an den Stufen vorbei und Veranstaltungsräume sind lediglich über Treppenhäuser begehbar. Provisorische Mittel, wie bspw. mobile Rampen können dabei nicht mehr aushelfen. Menschen, die kaum Treppen steigen können, wird damit der Zugang und die Teilhabe an Kultur verwehrt.

„Ich bin Beny und war am 18.02.2024 im Rahmen meiner journalistischen Arbeit bei dem Knall-Brause-Festival im Neuen Schauspiel Leipzig. Dort Angekommen musste ich leider mit Entsetzen feststellen, dass dieses Gebäude nicht barrierefrei ist. Sprich mit Rollstuhl kommt man da gar nicht rein! Das möchte ich bei dieser Fotoausstellung gerne dokumentieren und Kritisieren. Ich freue mich sehr, Teil dieses Projektes sein zu dürfen.“

Maik

„Nicht alle Barrieren sind sichtbar und erst recht nicht mit Farbe zu markieren. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie nicht ebenso intensiv das alltägliche Leben beeinflussen und erschweren können. Dieses Foto steht stellvertretend für die Vorurteile innerhalb der Gesellschaft gegenüber behinderten Menschen. Diese Stigmata in den Köpfen der Menschen können dann zu konkreten Diskriminierungen werden."

MaikG
Martina

Martina

Die Haltestelle Reudnitz, Koehler Straße ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt im Leipziger Osten. Von hier aus sind Ärzte, verschiedene Einkaufsmöglichkeiten, Banken und kulturelle Angebote zu erreichen. Die Gestaltung der Haltestelle stellt für Rollstuhlfahrer:innen eine unüberwindbare Barriere dar. Ein Aussteigen ist auch mit Hilfe nicht möglich. So muss eine Haltestelle weiter gefahren werden, um dann über den holprigen und zugestellten Gehweg wieder zurückzufahren.

Hinter den Kulissen der Vernissage

Ausstellung unsichtbar
Förderlogo Aktion Mensch
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